Die
1000 kalten Jahre
Vor
uralten Zeiten sind hoch oben auf den Mösern, hinter
dem Rittner Horn, auf Sewa, auf Schwarzea oder Villanders,
auf der Schien und auf Schienant Höfe gestanden, von
denen einer in den Schwarzsee hinabgesunken ist, und die
ganze jetzige Almgegend war wohl angebaut, denn es war damaals
da oben viel wärmer, und Schnee kannte man gar nicht.
Das "Gstrahl" auf dem Ritten war über und über
voll Weinreben, und von Mittelberg reichte der Weinbau ebenfalls
bis zum "Siesen" hinauf. Allmählich jedoch
wurde es kälter und kälter, und in einer Nacht
fiel zuhöchst oben zum erstenmal Schnee.
Ein alter Bauer
sass auf dem warmen Herd, als die Kinder
am Morgen hinausliefen und den Schnee sahen. Erstaunt eilten
sie zum Vater hinein und erzählten ihm, dass draussen
weitherum etwas Weisses auf dem Boden liege. Der Greis
schüttelte erschrocken den Kopf und sagte: "Jetzt,
Kinder, ist's Zeit, jetzt müssen wir ins Tal hinab;
es rücken die 1000 kalten Jahre an." Und es wurde
oben alles Wald, bis auch dieser nicht mehr wuchs und moosige
Hochweiden an seine Stelle traten.
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 233
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