Ein Stück oberhalb von Lengstein steht
in einem steilen Föhrenwald eine kleine Kapelle, die
sich eng unter einen Felsenüberhang hinduckt. Dieses
sogenannte Kobenkirchlein in Baiern stand einst hoch in Ehren,
weil man in einer geschliffenen Marmorplatte am Altar sein
künftiges Schicksal, namentlich in bezug auf ehestandliche
Freuden, lesen konnte.
Einmal ging wieder ein Bauernmädchen zu
diesem Kirchlein empor, um einen Blick in die eigene Zukunft
zu tun. Sie war in einen Bauernburschen aus ihrer Nachbarschaft
verliebt und wollte sehen, ob wohl dies ihr zukünftiger
Ehemann sein würde.
Doch zu ihrem Schrecken sah sie im Spiegel eine
weissgekleidete Nonne. Erbittert lief sie nach Hause,
mit der festen Absicht, diese Orakelerscheinung Lügen
zu strafen. Doch es kam anders, als sie geglaubt hatte: Ihr
Liebster starb bald darauf, und so trat sie, dem Fingerzeig
von oben gehorchend, in ein Kloster und wurde wirklich Nonne.
Quelle: Weber, P. Beda, Die Stadt Bozen und
ihre Umgebungen, Bozen 1849. S. 318 und Menghin, Alois, Aus
dem deutschen Südtirol. Mythen, Sagen, Legenden und Schwänke,
Sitten und Gebräuche, Meinungen, Sprüche, Redensarten
etc. des Volkes an der deutschen Sprachgrenze. Meran 1884,
S. 84
Entnommen aus: Bruno Mahlknecht, Südtiroler Sagen, Bozen
1981, S. 75
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