Der
Kobold im Stall
Vor vielen Jahren hatte beim Erschbamer in Unterinn
ein Kobold im Stall Quartier genommen. Das war ein Männlein,
klein wie ein Kind, das Hosen und Röcklein trug und auf
dem Kopf ein Hütlein hatte. Von seinem Kinn hing ein
langer, unten spitzig zusammengedrehter Bart hinab. Das Männlein
war für gewöhnlich unsichtbar, machte aber oft im
Stall einen unbillig grossen Lärm und schreckte
das Vieh. Die Dienstboten fürchteten sich und der Bauer
hatte keine gute Stunde mehr.
Da trat ein neuer Knecht beim Erschbamer in
Dienst, der trug allerhand Sprüchlein im Kopf herum,
war ein wildfahriger Mensch und rühmte sich seiner Kunst,
den Hexen ein Bein zu stellen. Der Bauer sagte zu ihm: "Es
haust einer im Stall, der nicht hinein gehört."
"Ich kenn' das Spiel", entgegnete darauf der Knecht,
"hab' schon gehört davon. Will sehen, was für
eine Sorte das ist."
Und wie der Knecht hinunter und beim Stall vorbeigeht,
hört er schon den Lärm. Mit dem "Lötzen"
(Nichtswerten) da will ich schon fertig werden, meinte er.
Sogleich band er sich einen grossen und dicken Wedel,
der Bauer musste einen Kessel voll Weihbrunn nehmen,
und so gingen sie beide in den Stall, der Knecht voran. Sie
sehen nichts, aber die Kühe reissen stark an den
Ketten und brüllen. Dreimal ruft der Knecht den Kobold
an, aber es erfolgte keine Antwort.
Jetzt taucht er den Wedel in den Weihbrunn und
haut sprengend um sich. Plötzlich hat er den Kobold getroffen
und demselben das Hütlein heruntergeschlagen. Die beiden
sahen nun das Männlein mit dem langen spitzbart, und
es fing an zu jammern und bat, man möge es nicht aus
dem Stall jagen. Der Knecht aber kannte kein Erbarmen und
gebot dem Girtubart, sich eilends davonzumachen. Das Männlein
aber bediente sich höflicher Worte und klagte, dass
es durch diese Stalltür nicht hinaus dürfe; in kurzem
wolle es freiwillig gehen.
Jedoch die höflichen Worte schufen ihm
keinen Rat; der Knecht ergriff und schleuderte es durch die
Stalltür weit in den Hof hinaus. Sie hörten aber
nichts von einem Falle draussen, und wie sie hinausgingen,
war das Zwerglein verschwunden. Es wurde auch nicht weiter
verspürt.
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 228 f.
Entnommen aus: Bruno Mahlknecht, Südtiroler Sagen, Bozen
1981, S. 78
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